Restaurierung und Rückführung der Wagner Orgel von 1739
in Schönwalde Glien
Zur Geschichte
Die Orgel der Dorfkirche Schönwalde wurde von Joachim Wagner (1690-1747) im Jahre 1738/39 erbaut. Den größten Kostenanteil übernahm hierfür Herr von Rosey.
Die Orgel wurde im 19. Jahrhundert klanglichen Veränderungen unterzogen, die dem vorherrschendem Zeitgeschmack geschuldet waren.
Im Jahre 1935 restaurierte bzw. rekonstruierte Alexander Schuke Orgelbau (Potsdam) die Wagner Orgel. Die originale Disposition wurde wieder hergestellt, die Posaune 8’ im Pedal und die Diskanttrompete 8’ im Hauptwerk kamen wieder in das Werk. Auch der Prospekt erhielt wieder Zinnpfeifen. 1970/71 wurde eine Restaurierung im denkmalpflegerischen Sinne durch die gleiche Firma vorgenommen.
Der Orgelbauer Joachim Wagner
WAGNER, Joachim, Orgelbauer in Berlin, * 13. April 1690 in Karow bei Genthin, † 23. Mai 1749 in Salzwedel. Er wurde als Sohn des Pfarrers Christoph Wagner (1653-1709) und seiner Ehefrau Anna Dorothea Tiefenbach geboren. In neuesten Aktenfunden findet sich ein Hinweis auf seine Lehrzeit, die er bei Christoph Treutmann I. 1773/74-1757) verbracht hat. Geprägt wurde er durch die heute nur noch bruchstückhaft rekonstruierbare mitteldeutsche Orgelbautradition. Seit 1970 ist erwiesen, dass er darüber hinaus zwei Jahre lang als Geselle bei Gottfried Silbermann in Freiberg tätig war.
Für seine Karriere waren offenkundig sein älterer Bruder Johann Christoph Wagner (1683-1750, seit 1710 Amtsnachfolger des Vaters) und vor allem sein jüngerer Bruder Friedrich Wagner (1693-1760) von Bedeutung. Letzterer studierte seit 1712 an der pietistisch geprägten Universität Halle, war anschließend Lehrer am von August Hermann Francke gegründeten Pädagogium, seit 1719 Feldprediger in Berlin, 1721 Superintendent in Nauen, 1732 Propst in Stargard und 1736 Hauptpastor an der Hamburger Michaeliskirche (seit 1743 zugleich der Vorgesetzte Telemanns). – Joachim Wagner vollendete 1723 in der Berliner Marienkirche sein Meisterstück, das bereits 1721 durch Johann Porst eingeweiht worden war. Er wurde fortan der mit Abstand bedeutendste Orgelbauer der Barockzeit in Preußen, da sich insbesondere während der Regierungszeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) günstige Bedingungen boten. In seiner Berliner Werkstatt entstanden Instrumente, die mitteldeutsche und norddeutsche Elemente
miteinander verbanden und fortentwickelten. Das im hochbarocken Orgelbau Norddeutschlands gepflegte Werkprinzip wurde jedoch zugunsten der Klangverschmelzung und eines einzigen Gesamtgehäuses aufgegeben, ebenso die noch von Silbermann verwendete modifiziert mitteltönige Stimmungsart.
Zu den klanglichen Besonderheiten gehören die kräftige Intonation, das gut besetzte Pedal (ohne Pedalkoppel), terzhaltige Mixturen und die in einigen Instrumenten gebauten Manualtransmissionen. Im Laufe seines Lebens erbaute er über fünfzig individuell gestaltete Orgeln, so dass auch unter den einmanualigen Instrumenten keines dem anderen vollkommen gleicht.
Sein Wirkungsbereich erstreckte sich neben den Residenzstädten Berlin und Potsdam auf die gesamte Mark Brandenburg einschließlich Altmark (Werben, Salzwedel) und Neumark (Königsberg), ferner auch auf Pommern (Stargard, Wartin), das Herzogtum Magdeburg (Magdeburg, Jüterbog) und Norwegen (Trondheim). Das größte Werk errichtete er 1724 bis 1726 mit 50 Registern auf drei Manualen in der Berliner Garnisonkirche (1892 umgebaut, 1908 verbrannt). Von dieser Orgel ist sowohl ein Kupferstich als auch eine detaillierte Beschreibung vorhanden, die für Berlin die älteste instrumentenkundliche Veröffentlichung darstellt.
Die durch Wagner begründete Tradition wurde durch seine Schüler und Mitarbeiter Peter Migendt (um 1703-1767), Ernst Marx (1728-1799) und Gottlieb Scholtze (um 1713-um 1782), außerhalb der Mark Brandenburg durch Heinrich Andreas Contius (1708-1795) fortgeführt. Nachweislich hat Johann Sebastian Bach am 8. Mai 1747 an der relativ kleinen Wagnerorgel der Potsdamer Heiligengeistkirche konzertiert. Die Orgelwerke seines Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach entstanden im Umfeld der 1755 von Ernst Marx und Peter Migendt erbauten Hausorgel der Prinzessin Anna Amalia, die sich heute in Berlin Karlshorst befindet.
Alle diese Instrumente sind überaus wertvolle Zeugnisse einer hochentwickelten Musikkultur. Durch Brände, mangelnde Pflege, dem musikalischen Zeitgeist des 19. Jahrhunderts folgende Umbauten und durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs sind von Wagner freilich nur noch 15 Instrumente mit mehr oder weniger großem Originalbestand sowie 8 weitere Gehäuse (teilweise noch mit Originalbestand) erhalten geblieben. Insbesondere die Potsdamer Firma Schuke hat sich um die Restaurierung der vorhandenen Substanz verdient gemacht. Die am 26. August 2006 in Rühstädt gegründete Joachim-Wagner-Gesellschaft bemüht sich um die Erforschung und Pflege dieses einzigartigen Erbes.
Erhaltene Werke: (Die Zahlen in Klammern geben das Jahr der Fertigstellung sowie die Anzahl der Manuale und Register an). Brandenburg, Dom (1725, II/33). Sternhagen (1736 für Gramzow, I/9). Jüterbog, Liebfrauenkirche (1737, I/14). Pritzerbe (1737 für Militärwaisenhaus Potsdam, I/8). Rühstädt (1738, I/10). Schönwalde bei Nauen (1739, I/12). Trondheim, Dom (1739, II/30). Treuenbrietzen, St. Marien (1740, II/30). Wusterhausen (1742, II/30). Bötzow 1743 (I/10). Angermünde, St. Marien (1744, II/30). Wartin (1744, I/8). Pruszyn [Polen] (1745 für unbekannten Auftraggeber, später in Warschau, St. Benon, II/7+5). Felchow (um 1745, I/9). Flemsdorf (1745, I/6).
Erhaltene Gehäuse: Berlin, St. Marien (1723, III/40, etliche Register erhalten). Brandenburg, St. Katharinen (1726, III/35). Bad Freienwalde (1728, II/18+6). Zachow [Neumark] (1736, I/8). Jüterbog, St. Nikolai (1741, II/32). Gransee, St. Marien (1745, II/16+6, einige Pfeifen erhalten). Werben (1747, II/27, zahlreiche Pfeifen erhalten). Salzwedel, St. Marien (1749, III/33+6).
Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz, Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon
Disposition der Orgel
Man Hauptwerk C,D-c’’’
Principal 4’ (Prospekt); C,D-c’’’, 15 stumme Pfeifen(1935 Schuke) Innenpfeifen Wagner
Gedackt 8’ Wagner; C-c° Holz neu Schuke nach Wagner, cs’-c’’’
Rohrflöte 4’ Metall, Wagner; fs’’- c’’’ konisch offen, Deckel nicht original, mit z.T. alten Röhrchen,
Nassat 3’ Metall, Wagner; C,D-h’ als Rohrflöte; c’’- c’’’ konisch offen, Deckel nicht original, mit z.T. alten Röhrchen
*Octave 2’ Metall, Wagner; cs’’, fs’’ neu nach Wagner-Mensur
*Quinte 1 ½’ Metall, Wagner; h’’, c’’’ neu nach Wagner-Mensur
Cornett 3f. Metall, Wagner; 3 Pfeifen neu nach Wagner-Mensur
Mixtur 4f 1’ Metall, Wagner; 23 Pfeifen neu nach Wagner-Mensur
Trompete 8’ Metall, ab c’ Schuke / Giesecke 1934, im Holzblock
Pedal C,D-c’
Subbaß 16’ Holz, Wagner; 14 neu nach Wagner-Mensur
Octave 8’ Holz, Wagner; ds°, g° neu nach Wagner-Mensur
Posaune 8’ Kupferbecher; Stiefel Holz; Schuke / Giesecke 1934
Die neugebauten Pfeifen bzw. Deckel stammen aus den Restaurierungen 1934/71. Diese sind in der Bauart und Form nicht originalgetreu nachgebaut worden. Auch sind die Spundgriffe und Spunde nicht originalgetreu nachgebaut worden.
Manualumfang C,D-c’’’
Pedalumfang C,D-c’
* Baß- bzw. Diskantteilung bei h° / c’
Nebenregister: 2 Sperrventile, Kanaltremulant, Zug zu den 2 Zimbelsternen, Calcantenglocke
Windanlage: 2 Keilbälge (original Wagner), Winddruck 76 mm Ws
Stimmung: gleichschwebend, Chorton, a’=448Hz bei 15°C
Pfeifenwerk
Manual
Principal 4’
Rekonstruktion der Prospektpfeifen in originaler Mensur und Bauart nach Wagner (in englisch Zinn, Mittelturm mit eingelöteten Rundlabien, alle anderen Felder mit Rundlabien bzw. Spitzlabien, Innenpfeifen überarbeiten, Pfeifenmündungen restaurieren.
Gedackt 8’
Überarbeitung der Pfeifen, Holzpfeifen auf Dichtigkeit kontrollieren. Originalgetreuer Nachbau der Holzpfeifenspunde und Griffe, Neubau der Metalldeckel aus originalgetreuem Material, Belederung und Zargenhöhe.
Rohrflöte 4’
Überarbeitung der Pfeifen, Neubau der Metalldeckel aus originalgetreuem Material, Belederung und Zargenhöhe, unter Verwendung der z.T. originalen Röhrchen.
Originalgetreuer Nachbau des f°
Die Pfeifenmündungen der offenen Pfeifen restaurieren.
Nassat 3’
Überarbeitung der Pfeifen, Neubau der Metalldeckel aus originalgetreuem Material, Belederung und Zargenhöhe, unter Verwendung der z.T. originalen Röhrchen.
Originalgetreuer Nachbau des f°
Die Pfeifenmündungen der offenen Pfeifen restaurieren.
Octave 2’
Überarbeitung der Pfeifen, die Pfeifenmündungen restaurieren.
Originalgetreuer Nachbau der Pfeifen cs’’ und fs’’
Quinte 1 1/2’
Überarbeitung der Pfeifen, die Pfeifenmündungen restaurieren.
Originalgetreuer Nachbau der Pfeifen h’’ und c’’’
Cornett 3f.
Überarbeiten der Pfeifen, die Pfeifenmündungen restaurieren.
Originalgetreuer Nachbau der 3 nicht originalen Pfeifen
Mixtur 4f.
Zusammensetzung:
C 1’ 2/3’ 1/2’ 1/3’
c 1 1/3’ 1’ 2/3’ 1/2’
c’ 2’ 1 1/3’ 1’ 2/3’
c’’ 2 2/3’ 2’ 1 1/3’ 1’
Überarbeiten der Pfeifen, die Pfeifenmündungen restaurieren.
Originalgetreuer Nachbau der 23 nicht originalen Pfeifen
Trompete 8’ Diskant
Rekonstruktion nach wagnerischem Vorbild, Becher Metall, Bleiköpfe im Block
Pedal
Subbass 16’
Einzelne Wagner-Pfeifen erhalten, Überarbeitung der Pfeifen Originalgetreuer Nachbau der Holzpfeifenspunde und Griffe
Octave 8’
Einzelne Wagner-Pfeifen erhalten, Überarbeitung der Pfeifen, Holzpfeifen auf Dichtigkeit kontrollieren. Anlängen der Körper um Stimmtonhöhe und Stimmung zu erreichen
Posaune 8’
Rekonstruktion nach wagnerischem Vorbild, Becher und Stiefel in Holz, Kehlen in Blei (1 Holzbecher erhalten)
Die Rekonstruktion der Mensuren sind anhand von vorhandenen Instrumenten genau zu ermitteln.
Restaurieren der Pfeifenmündungen beinhaltet eventuelles Anlängen der Pfeifenkörper in originaler Legierung und Wandstärke.
Legierungen
Bei den neuzubauenden Pfeifen orientieren wir uns streng an der Bauweise (Legierungen, Materialstärken, Labienform, Kernphasen und -stärken) der originalen Pfeifen.
Wagner verwendete folgende Legierungen:
Englisch Zinn -„ für die Pfeifen im Gesichte„
im 18. und 19. Jh. übliche bleifreie Zinnlegierung mit Zusätzen von Kupfer oder Wismut, in die wegen der Verwendung von engl. Blockzinn oft die Aufschrift „Englisch Zinn“ eingeschlagen ist
Probezinn – für Innenpfeifen Octavregister.
Zehn Zentner Zinn mit einem Zentner Blei.
Metall (Dreylöthig) – für Innenpfeifen.
Zwei Teile Blei und ein Teil Zinn
Zu berücksichtigen ist, dass die Orgelmetalle zur damaligen Zeit nicht so sauber von Verunreinigungen getrennt werden konnten, wie es uns heute möglich ist. Diese hatten einen nicht unerheblichen Einfluss auf Klang und Stabilität der Pfeifen. Durch Zugaben werden diese Legierungen heute rekonstruiert.
Spieltisch
Ausbau der Manualklaviatur.
Neubelegung schadhafter Obertastenbeläge in Elfenbein
Schleifen und polieren der Untertastenbeläge, Kerben nacharbeiten
Seitliche Führungsstifte original ersetzen (momentan durch Gummischläuche überzogen).
Klaviaturauflage originalgetreu in Leder ersetzen
Überarbeitung der Klaviaturbacken und Profilleisten
Restaurierung der Manubrien und ausledern der Schubstangendurchgänge
Verlegen des Motor- und Lichtschalters an die Emporenbrüstung
Verschließen der Löcher im Spieltisch
Erneuern der Registerbeschilderung in Pergament mit schwarzer Tinte beschriftet nach Wagnerschem Vorbild
Einbau einer neuen unauffälligen Beleuchtungsanlage für Spieltisch und Pedal
Rekonstruktion des Pedalklaviers nach Wagner
Stabilisierung der Orgelbank durch Rekonstruktion des Stegs
Tontraktur
Reinigung der gesamten Tontraktur
Reparatur, bzw. originalgetreues Ersetzen der Pergamentgarnierung
Reinigen der Abstrakten
Ersetzen der Drahtbestückung durch für diese Zeit typische Messingdrähte
Austuchungen in den Wellenlagerungen und -ärmchen entfernen, mit der entsprechenden Holzart ausdübeln und gemäß den Achsenstärken bohren und brennen
Reinigen und Überarbeiten der Winkelscheiden
Kunststoffbuchsen der Abzugsdrahtösen entfernen
Abzugsdrahtösen mit Leder neu garnieren
Ersetzen aller Ledermuttern
Windlade
Ventilboden, als auch die Kanzellenböden wurden mit einem künstlichen Material abgedichtet, dieses muss entfernt werden.
Abrichten von Fundamentbrett, Schleifen, Dämmen und Stöcken.
Erneuern der Schleifenbelederung.
Entfernung der Abstoppleiste und Abrolleiste.
Neubelederung von Ventilboden und Windladenunterseite.
Originalgetreue Erneuerung aller Beutelpulpeten.
Entfernung der Filz-Lederdichtungen der Tonventile.
Erneuerung der Ventilbelederung mit doppelt Leder (Ventile werden angeschwänzt).
Abzugsdrahtösen (am Ventil) mit Leder neu garnieren.
Tonventile wieder einbauen und den Federdruck der vorhandenen Federn genau auswiegen.
Erneuerung der Spundbelederungen, Spunde müssen wieder auf Originalmass gebracht werden.
Genaue Dichtigkeitsprüfung beider Windladen.
Reinigen und Überarbeiten aller Pfeifenraster und Anhängungen.
Windanlage
Reinigen und Abdichten von Kanälen und Kondukten.
Einbau eines neuen Gebläsemotors
Herstellung und Einbau einer schallisolierten Motorkiste
Einbau des Rollventils in die Motorkiste (Reduzierung der Geräuschentwicklung)
Herstellung und Einbau eines neuen Holzkanals zwischen Rollventil und Balg.
Funktionskontrolle des Drosselventils (Rückschlagklappen)
Entfernung der kompletten Balgbelederungen.
Alle Flexe und Knarrstreifen überprüfen und ggf. austauschen
Originalgetreue Neubelederung der beiden Keilbälge.
Reinigung und Überarbeitung der gesamten Tretanlage
Reinigung und Überarbeitung des Kanaltremulanten.
Reinigung und Überarbeitung der Cymbelsterne.
Es ist sehr schade, dass nur der Vorzustand der Wagnerorgel hinsichtlich der Bilder und auch weitgehend des Textteils beschrieben wurde. Es fehlt die Beschreibung der Orgel nach der Restaurierung 2014/15, der Restaurierungsbericht. Es ist dringend notwendig, dies nachzuholen.
Lieber Rainer, wir werden versuchen alles zeitnah nachzureichen. Vielen Dank für die Anregung. Robert